Ukraine-Konflikt – Waffen bringen keinen Frieden

In dieser Woche war dann der einhellige Chor der Leitmedien in Deutschland vollständig. Selbst das eher linksorientierte Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ fordert in einem Leitartikel unter dem Titel „Helme reichen nicht“ Waffenlieferungen für die Ukraine. Schon vorher hatten die Wochenzeitung „Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dieselbe Position durchaus aggressiv vertreten. Bei der „Frankfurter Allgemeinen“ verwundert das nicht, die war auch schon ein Befürworter des Irak-Krieges gewesen. Aber dass auch die linksliberalen und kritischen Printmedien diese Position vertreten, verwundert und erschreckt.

Am besten brachte der ehemals in der „Bild“-Zeitung an führender Stelle verantwortliche Nikolaus Blome diese Position in einer Talkshow auf den Punkt. Wenn der Westen an der Grenze der Ukraine zu Russland nur entschieden auftrete, dann werde sich Putin mit seinen Truppen dort innerhalb von 48 Stunden zurückziehen. Wirklich? Ist Putin tatsächlich ein Politiker, dem es gleichgültig ist, ob er sein Gesicht wahrt? Der weicht, wo er sich mit massiver Gegengewalt auseinandersetzen muss? Gerade dort, wo er für sich lautstark sein Revier reklamiert hat? Kann es nicht doch sein, dass ein entschiedener militärischer Druck des Westens zu einem Funkenflug führt, der in einem bösen Krieg endet?

War es damals nicht so, dass beim Irak-Krieg in den Medien ganz am Anfang diskutiert wurde, wie die Demokratie im Irak schon bald aussehen würde? Und heute? Oder Afghanistan! Scheinbar ein Leichtes, dort für Ordnung zu sorgen – und heute? Am Reißbrett in den wohlbeheizten Redaktionsstuben der Zeitungen Artikel zu schreiben, ist das eine. Die Situation in der ungemütlichen Kälte einer drohenden militärischen Auseinandersetzung das andere. Jeder Soldat, der dort stirbt, ganz gleich auf welcher Seite, hat am Ende eine Mutter, die ihn beweint. Haben gerade wir in Deutschland das vergessen? Es ist beschämend, dass die großen Zeitungen in diesem Land intellektuell förmlich gleichgeschaltet gar keine echte Debatte mehr darüber führen, wie der Frieden gewahrt werden kann.

Der Bundesregierung, die im Hintergrund vorsichtig und abwägend agiert, wird vorgeworfen, dass sie sich wegduckt. Dem ehemaligen Kanzler Gerhard Schröder, dass seine Beziehung zu Russland vor allem die eigenen finanziellen Interessen bediene. Ist denn heute vergessen, dass auch Helmut Kohl in einem großen Text in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor einigen Jahren zusammen mit dem vorausgegangenen Kanzler Helmut Schmidt mahnte, Russland und Putin nicht in die Ecke zu drängen, sondern gemeinsam mit Russland eine europäische Sicherheitsarchitektur zu besprechen? Und dass mögliche Sanktionen von der Bundesregierung heute nicht exakt benannt werden, weil eben die Situation auch völlig offen ist, auch das wird ausschließlich als politische Schwäche beschrieben. Aber ist es denn wirklich eine Schwäche, sich beim politischen Handeln bedeckt zu halten und sich Möglichkeiten, die nicht vorschnell für alle sichtbar auf den Tisch gelegt werden, offenzuhalten? Ist es wirklich eine Schwäche, in einer Krise klug und abwägend zu überlegen, was am Ende eine Politik ist, die dem Frieden dient? Ist es wirklich besser, mit dem gezogenen Revolver dem Gegenüber die eigene Position und Stärke anzuzeigen?

Stärke und militärische Gewalt sind zwei paar Stiefel. Es kann Situationen geben, wo beides zusammengehört. Dass die Kurden im Kampf gegen die Terroristen des IS Waffen bekamen, war richtig und notwendig. Aber ist denn diese Situation tatsächlich mit der Grenzsituation zwischen Russland und der Ukraine vergleichbar? Doch ganz und gar nicht! Der Religionsphilosoph Eugen Biser, der als Soldat im Zweiten Weltkrieg schlimme Erfahrungen machte, fasste seine ganze Haltung zu militärischen Auseinandersetzungen regelmäßig mit einem klugen Satz zusammen: „Von einem Krieg weiß man immer, wie er anfängt. Aber nie, wie er ausgeht!“

Straubinger Tagblatt vom 4. Februar 2022