Um es einfach mal klarzustellen, was „Sicherheitsgarantien für die Ukraine“ bedeuten: Das heißt, dass beim Regel- oder Vertragsbruch durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin die Länder, die sozusagen in Haftung gegangen sind und diese Garantien gegeben haben, mit einem sogenannten „robusten Mandat“ Putin eine Grenze setzen. Entweder, weil sie mit Soldaten schon vor Ort sind oder weil sie dann vor Ort gebracht werden. Das ist am Ende in der Sache fast schon das Gleiche wie ein Nato-Beitritt der Ukraine. Denn wer auch immer diese Sicherheitsgarantien gibt, in Amerika oder auch in Europa, er muss dann im Falle eines Regelbruchs auch handeln. Er ist dann in einen Krieg verwickelt. Ganz konkret, mit Gerät und mit Soldaten.
Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das will, ist klar. Dass er das in Amerika von einem Präsidenten Donald Trump nicht bekommen kann, ist auch klar. Und auch unser „deutsches Interesse“ ist das natürlich nicht, im Falle, dass die Europäer hier daran denken, solche Garantien abgeben zu wollen – mitsamt deutscher Beteiligung! Ob Donald Trump den Kollegen aus der Ukraine von vorneherein in die Falle laufen ließ, wie das manche politischen Beobachter kommentieren, kann man nicht sagen. Eher ist wahrscheinlich, dass der amerikanische Präsident gedacht hat, der wird mir schon auf die „Schaufel springen“, wie man das umgangssprachlich formuliert – und einen „Deal“ mit mir machen.
Eine halbe Stunde lang warb er mit guten Argumenten dafür, den gegenseitigen Hass zurückzustellen und eine kooperative Lösung des Krieges ins Auge zu fassen. Aber eine schnelle Zustimmung des ukrainischen Präsidenten zu den Plänen Trumps war natürlich auch nicht zu erwarten, sodass es zu dem offenen Eklat zwischen den beiden Männern kommen musste. Dass ein ukrainischer Präsident wieder einmal all seine Wünsche an den Westen detailreich vorträgt, war nicht klug, aber eben genauso erwartbar. Dass ein Präsident der USA sich so laut und durchaus ordinär verhält – vor laufender Kamera –, ist ungewöhnlich, aber bei Donald Trump ebenfalls ein erwartbares Muster.
Das Ende des Gespräches im Fall einer Verweigerung Selenskyjs war von der amerikanischen Regierung offensichtlich einstudiert und abgesprochen. Der Vizepräsident J.D. Vance mahnte laut und autoritär Dankbarkeit für die bisher überlassenen Waffen an, bevor der amerikanische Präsident dann aggressiv explodierte. Ein solches abgesprochenes Verhalten gibt es sonst eher bei manchen Banken, wo es passieren kann, dass die Leiter der Kreditabteilungen in Gegenwart des Direktors den säumigen Kreditnehmer zur Einhaltung der Rückzahlungsraten dringlich ermahnen, bevor der Chef dann seine autoritäre Rolle ausspielt.
Dass die Hartleibigkeit Selenskyjs, der immer nur die Interessen seines eigenen Landes im Blick hat, den Gesprächspartner, der beide Seiten des Konflikts in den Blick zu nehmen versucht und auch eigene Interessen formuliert, provoziert, ist die eine Seite der Medaille. Ob das Abkanzeln des Gastes bei eigener auch zahlenmäßiger Überlegenheit im Raum ein sinnvolles Unterfangen ist, ist aber eben auch mehr als fraglich! Dass die meisten europäischen Verbündeten sofort und ausschließlich ihre Solidarität mit Wolodymyr Selenskyj betonen, ist in dieser Situation allerdings schwer nachvollziehbar. Denn so wird man den amerikanischen Partner noch schneller verlieren, als man das sowieso schon befürchtet. Dass Ungarn mit Viktor Orbán dem amerikanischen Präsidenten sofort zujubelt, war ebenfalls erwartbar. Dass Europa in naher Zukunft mit einer Stimme spricht, ist dagegen nicht zu erhoffen, sondern bleibt – realistisch gesehen – eine Wunschvorstellung.
Das mehrfach von Donald Trump zornig vorgebrachte Argument, dass Selenskyj „ein schlechtes Blatt in Händen hält“, ist eine mehr als zutreffende Analyse des amerikanischen Präsidenten. Von der Formulierung her passt sie allerdings eher zum Pokerspiel als zu einer diplomatischen Unterredung vor fast 100 Medienleuten mitsamt Übertragung in die ganze Welt. Und jetzt? „Der Vorhang zu – und alle Fragen offen!“ Man wird sehen.
Straubinger Tagblatt vom 3. März 2025