Das Wirtschaftsprogramm, das die CDU/CSU jetzt im Wahlkampf den Bürgerinnen und Bürgern vorlegt, ist denkbar einfach: Entbürokratisierung, Steuererleichterungen für Unternehmen und eine Abschaffung des Bürgergelds werden eine solche Entfesselung von Wirtschaftsdynamik herbeiführen, so sagt das die Partei jetzt in ihren Wahlkampfveranstaltungen, dass eine Wende in diesem Land zügig wie von selbst geschieht. Wie von selbst wird also ein neuer Wind wehen, der so stark sein wird, dass es die Segel der Wirtschaft aufbläst und das Land in eine neue und bessere Richtung treibt.
Das Wirtschaftsprogramm, das die CDU/CSU jetzt im Wahlkampf den Bürgerinnen und Bürgern vorlegt, ist wirklich einfach – und so auch völliger Blödsinn! Es gibt niemanden in der Wirtschaft und auch der Wissenschaft, der auch nur eine Flasche billigen Rotwein auf diese Wette setzen würde. Da ist nichts durchgerechnet, sondern das Ganze ist eine schöne Fantasie aus der Märchenwelt von Politikern im Wahlkampf.
Denn: Eine Entbürokratisierung kann in kurzer Zeit überhaupt nicht gelingen, das ist ein mühsamer, langer und schwieriger Prozess. Das weiß auch wirklich jeder, der damit befasst ist! Die Senkung von Unternehmensteuern klingt erst einmal gut, aber sie entzieht einem Land, das heute – von maroden Brücken über Gesundheit und Pflege bis hin zur Bundeswehr – viel zu wenig Geld hat, erst einmal weiter Geld, ohne ausreichend planen zu können, wo dann in welcher Menge das Geld herkommen soll.
Und zum Ende: Denen, die heute als Verlierer der Gesellschaft den Notgroschen Bürgergeld beziehen, das deutlich zu kürzen, das mag bei dem einen oder anderen potenziellen AfD-Wähler billigen Stammtisch-Applaus auslösen. Volkswirtschaftlich ist es eher marginal, was da zu holen ist, denn es wird in dieser Gesellschaft auch weiter Verlierer geben, für die der Staat und die Gesellschaft solidarisch einstehen werden müssen!
Das ist schon seltsam, dass genau die Partei, die traditionell für Wirtschaftskompetenz steht, einen Plan vorlegt, von dem die Fachleute heute schon wissen, dass er niemals aufgehen kann, weil er gar nicht zu finanzieren ist! Zehn (!) Prozent müsste das Wirtschaftswachstum auf der Stelle betragen, dass wir am Ende immerhin dort sind, wo wir heute stehen. Fortschritte in den Problembereichen, die es anzugehen gilt, sind da noch gar nicht eingepreist! Die Bundeswehr bliebe weiter marode, das Gesundheits-und Pflegewesen unterfinanziert und die Brücken kann man so noch einmal abreißen, wo sie nicht mehr befahrbar sind. Selbst dafür fehlt das Geld dann! Zauberer und Magier gehören doch in den Zirkus, in der Wirtschaftspolitik gibt es leider keine Zauberstäbe!
Was wäre dann die Alternative? Auch da sprechen die Fachleute eine ganz klare Sprache: Dort, wo Geld verdient wird, wo die ganz Reichen immer noch reicher werden, dort müssen die Steuern steigen, damit in der Mitte der Gesellschaft oder auch bei Unternehmen Steuern wenigstens ein wenig korrigiert werden können. 25 Prozent Steuern werden heute bei den Dividenden dort fällig, wo ohne einen Handgriff Arbeit Zins und Zinseszins verbucht werden. Das ist – verglichen mit Steuern und Abgaben bei Arbeit – absurd! Wer im letzten Jahr sein Depot bei der Bank einfach wachsen ließ, der hat heute am Beginn dieses Jahres eine Wertsteigerung von rund zehn Prozent. Bei einer Million also 100 000 Euro: Das ist beachtlich! Und er muss kaum davon abgeben, obwohl unsere Gesellschaft das doch bräuchte.
Der Finanzexperte der CSU, unser Bundestagsabgeordneter Alois Rainer, stimmt im persönlichen Gespräch, ohne mit der Wimper zu zucken, sofort zu, dass das endlich „angegangen werden muss“, wie er sagt. Aber warum steht das nicht im Wahlprogramm der Union?
Und die nächste Frage drängt sich auf: Wird ein Kanzler Friedrich Merz, der bei der Vermögensverwaltung Blackrock genau das Vermögen der ganz Reichen über Jahrzehnte vermehren geholfen hat, was sein gutes Recht ist und auch seine Aufgabe war, jetzt hier politisch ansetzen? Auf seinen Bundestagsabgeordneten Alois Rainer hören – oder nicht doch eher den alten Instinkten aus seiner Zeit in der Vermögensverwaltung für die ganz Reichen folgen. Das ist schon eine Frage, die es jetzt im Wahlkampf laut zu stellen gilt. Denn eines ist auch klar: Ich kenne keinen einzigen Fachmann aus der Wissenschafts-, Wirtschafts- und Bankenwelt, der nicht im persönlichen Gespräch sofort laut sagt, dass genau dort buchstäblich „der Hund begraben ist“. Wer hier nicht ansetzt, der kann dieses Land nicht in eine heilsame Richtung bringen!
Aber nichts ist halt am Ende schwerer, als denen, die reich und mächtig sind und ihre Interessen so lautstark vertreten, etwas abzuverlangen. Das will man bei der CDU/CSU also offensichtlich lieber gar nicht öffentlich ansprechen oder einfordern. Da ist es doch viel einfacher, laut die Bürgergeldkürzungs-Trompete zu blasen, wo die, die gesellschaftlich längst abgehängt sind, beim Konzert schon lange nicht mehr dabei sind und sich also gar nicht mehr wehren können. Nirgendwo in Europa ist heute nachgewiesenermaßen die Kluft zwischen Reich und Arm so groß wie hier in Deutschland.
Und eines zum Schluss: Das Totschlagargument, dass wir doch wollen, dass auch die Mitte der Gesellschaft ihr Leben und vor allem ihre Rente langfristig am Kapitalmarkt absichern kann, zählt nicht, weil da kann man mit sinnvoller Gestaltung ausreichend Freibeträge zulassen. Fazit: Die Union sollte sich jetzt im Wahlkampf ehrlich machen – und nicht weiter Blödsinn erzählen. Denn nach der Wahl wird man tun müssen, was man vorher erzählt hat. Und da ist zu viel Unsinn im Wahlkampf eher Bürde als Chance!
Straubinger Tagblatt vom 10. Januar 2025