Leitartikel: Manfred Weber – So manche Botschaften sind problematisch

Mit Manfred Weber bin ich seit vielen Jahren gut bekannt. Über Jahrzehnte bin ich mit meinen Studentinnen und Studenten nach Straßburg gefahren. Dort führte uns der begeisterte Europapolitiker jedes Jahr wieder durch das Parlament und war offen für die Themen der jungen Menschen, die politisch viel interessierter aus dem Elsass heimfuhren, als ich es erwartet hatte. Weber hatte sie für Europa und das politische Interesse an Europa begeistert.

Manfred Weber liebt dieses Europa und seine politische Arbeit dafür. Die Kandidatur Manfred Webers für das Amt des Kommissionspräsidenten habe ich aus nächster Nähe mitverfolgt. Seinen Einsatz, seine Reisen, die vielen Begegnungen, die ihn durch ganz Europa führten. Mir war immer klar, dass das europäische Vortanzen noch lange nicht bedeuten würde, dass er das Amt am Ende tatsächlich bekommen würde. Berufen wird der Kommissionspräsident von den nationalen Regierungen nach der Wahl. Dort herrschen nochmals eine dünnere Luft und eine beinharte Auseinandersetzung um Macht, das hatte Manfred Weber auf jeden Fall unterschätzt.

Am Ende unterstützte er Ursula von der Leyen, die der französische Präsident sprichwörtlich aus dem Hut gezaubert hatte, – nicht immer, aber doch weitgehend loyal, allerdings nicht ohne spürbare innere Widerstände – was ich gut verstehen kann. Ein einziges Mal schlug er – auch noch in der „Bild“-Zeitung – gegen den französischen Präsidenten zurück, das war sicher nicht gut, aber auf der persönlichen Ebene doch ebenso verständlich.

Die politischen Ziele Manfred Webers kann ich nicht teilen. Für die Ukraine gibt es offensichtlich keine rein militärische Lösung des Konfliktes, das sollte mittlerweile doch für jedermann erkennbar geworden sein. Aber hier beharrt Manfred Weber – nicht nachdenklich werdend – auf seiner Position, die von der Wirklichkeit jeden Tag wieder neu ad absurdum geführt wird.

Auch seine Idealisierung Europas als gemeinsamen Lebensraum von Nationen, die doch auch so vieles unterscheidet, erscheint mir als unrealistisch. Es braucht ein gemeinsames starkes Europa, aber die nationalen Egoismen sollten nicht idealistisch ausgeblendet werden. Besser wäre es doch, zuzugeben, dass dieses Europa ganz viele Bruchstellen hat, die nicht zu übersehen und zu übergehen sind.

Das ständige Zitieren der Interessen unserer osteuropäischen Nachbarn, die Manfred Weber so häufig im Mund führt, stärkt zudem am Ende nur die AfD, die dagegen vorgibt, im „nationalen Interesse“ zu agieren und so die Bürgerinnen und Bürger in übelster Art und Weise verführt, sie zu wählen. Die AfD ist eben keine echte politische Alternative, auch wenn sie das lautstark so herausposaunt. Wer die AfD wählt, schadet Deutschland und Europa. Es wäre aber sinnvoll, wenn die Europapolitik der CSU erst einmal noch deutlicher die eigenen nationalen Interessen ansprechen würde, anstatt dieses Feld der AfD so stark zu überlassen.

Auch das opportunistische Unterlaufen des „Green Deals“ mit Blick auf den Bauernstand, der doch nur in wenigen rückwärtsgerichteten Teilen noch nicht versteht, dass nur eine veränderte ökologische Perspektive auch in Zukunft reiche Ernten bringen wird, halte ich für abenteuerlich und eine Politik, die uns schadet. Entbürokratisierung ja, ruhig mehr davon, aber die Zukunft braucht vor allem den Mut zu einem neuen Verständnis von Landwirtschaft und Naturpflege.

Manfred Weber hat in seinen Reden – wie so manch anderer Politiker – einen Stil des sogenannten „Common Sense“ entwickelt, der sehr schnell für sich einnimmt und zu voreiliger Zustimmung verführt. Er spricht oft leise und scheinbar argumentativ sauber. Aber wer genau hinhört und selber nachdenkt, kann so manche vereinfachenden Botschaften dann doch als problematisch und einseitig erkennen. Am Wahlabend wird Manfred Weber dennoch auf ein sehr gutes Ergebnis blicken. Das hat er mindestens für seinen Fleiß und seinen Einsatz für sein Europa auch verdient. Und es ist halt auch immer noch so, dass die CSU in Bayern so oder so die mit Abstand stärkste Partei bleibt. Dass diese bayerische CSU in Europa, aber auch in Deutschland eine solch starke Stimme hat, ist am Ende auch gut für unser Bayern.

Straubinger Tagblatt vom 1. Juni 2024