Der Mann trug ja wirklich alle Insignien der Seriosität. Der Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, dem am Ende drei Milliarden Euro fehlten, pflegte einen Lebensstil, der seinen Erfolg buchstäblich herausschrie. Regelmäßige Weinlieferungen im Wert von über 20 000 Euro, die Wochenenden an der Côte d’Azur in seiner Nobelvilla, dort eine Jacht, deren Mietpreis 500 000 Euro pro Woche betrug, die Anfahrt als Anflug im Privatjet. Wer wollte einem solchen Mann nicht vertrauen! Zumal er beruflich noch dazu aus dem Porno-Milieu entstammte, einer Branche, wo es weder an Angebot noch an Nachfrage mangelt. Und dann noch ein weltweites Geflecht von Firmen, das so undurchschaubar war, dass es zu wirklich allen Hoffnungen berechtigte. Und sein Kompagnon Jan Marsalek – offensichtlich vertraut mit allen Geheimdiensten dieser Welt! Wer hätte da jemals gezweifelt, dass es sich bei Wirecard um ein seriöses Unternehmen handelt!
Kein Wunder also, dass niemand bemerkte, weder Politiker noch Prüfinstanzen der Börse, dass es sich bei der Firma Wirecard um einen aufgeblasenen Pustekuchen handelte. Wo doch alles, was man mit bloßem Augenschein wahrnehmen und bewerten konnte, so für diese Männer sprach!
Auch der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein war doch der Inbegriff eines Ehrenmannes. Als Partner der ziemlich ausgeschlafenen Verona Pooth half er bei der Bewerbung von Damenunterwäsche, ohne die das Leben für uns alle ja ärmer wäre. Und auf seiner Homepage erklärte er seinen Wählern passend dazu, dass sein Denken und politisches Arbeiten der katholischen Soziallehre entspringe. Lebensfülle statt lebensfeindlicher Askese, der innerste Kern des christlichen Glaubens also. Nüßlein hat ihn verstanden! Und da gibt es doch im Evangelium noch dazu diese Frau, die Jesus erst zurückstößt, aber als sie dann antwortet, dass auch für die „Hündlein unter dem Tisch“ ein paar Brosamen abfallen, erfährt sie Gnade. Und da sagte sich der CSU-Abgeordnete Nüßlein ganz zu Recht, dass bei einem von ihm eingefädelten Deal von über rund 14 Millionen Euro schon ein paar Krümel abfallen sollten vom fruchtbaren und überreichen Maskenbaum. 660 000 Euro dem Vernehmen nach, also ziemlich exakt die Summe, die eine Verkäuferin verdient, wenn sie 40 Jahre lang jeden einzelnen Tag in einem Geschäft steht und arbeitet.
Nicht so schlau angestellt haben sich dagegen die beiden CSU-Damen Monika Hohlmeier und die Tochter des ehemaligen Wirtschaftsministers Gerold Tandler, mit Namen Andrea Tandler. Diese beiden haben zwar die Masken der Schweizer Firma Emix an die politischen Entscheidungsträger im Bund und in mehreren Bundesländern vermittelt, und zwar mit großem Erfolg, aber es ist nicht bekannt, dass auch nur ein Cent an sie selber geflossen wäre. Während die Geschäftsführer der Firma Emix recht schlechte und nahezu wertlose Masken zum Einkaufspreis von knapp drei Euro für gut das Dreifache dieses Preises weiterverkauften und sich anschließend sofort mit zwei Bentleys und einem Ferrari fürstlich entlohnten, sprang für die feinen Töchter der früheren CSU-Politiker Strauß und Tandler offensichtlich nicht einmal ein kleines BMW-Cabrio heraus. Jedenfalls ist darüber nichts bekannt! Da zweifelt man dann schon ein wenig an der irdischen Gerechtigkeit, denn ohne die beiden Damen würden die Geschäftsführer der Schweizer Firma allenfalls mit einem Skoda zu ihren Kunden fahren können, vielleicht sogar nur mit einem gebrauchten. Wer weiß. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?
Zu teilen dagegen versteht unser Gesundheitsminister Jens Spahn. Eine schöne Wohnung in Berlin kaufte er sich im Jahr 2017 mit seinem Ehemann für eine knappe Million Euro. Den Verkäufer dieser Wohnung, Markus Leyck Dieken, einen recht unbekannten Gesundheitsmanager, macht er zwei Jahre später zum Geschäftsführer der Firma Gematik, einer Betreibergesellschaft für Gesundheitsthemen, an der sein Ministerium mittlerweile 51 Prozent der Anteile hält, nachdem noch kurze Zeit vorher Kassenärzte, gesetzliche Krankenkassen, Kliniken und Apotheken die Mehrheit an dieser Firma innegehabt hatten. Und weil das Gehalt des Vorgängergeschäftsführers von 150 000 Euro im Jahr nun wirklich kaum mehr als ein Almosen war, wird es von Spahn eben verdoppelt, damit der arme Mann auch etwas besser leben kann. Christliche Großzügigkeit halt, der Minister hat das „C“ im Namen seiner Partei verstanden und verinnerlicht!
Zeitgleich wurde diese Woche bekannt, dass die Mittelstandsvereinigung der CDU und CSU das Zweite Deutsche Fernsehen mit dem Ersten Programm fusionieren will. Aus Kostengründen! Mehr RTL II oder auch ProSieben als ZDF oder 3sat, mehr Fraktur als Kultur, wie Arnold Schwarzenegger oder Jason Statham das ausdrücken würden. Damit ihre Stammwähler am rechten Rand nicht zur AfD abwandern, wie die erfindungsreichen Wirtschaftspolitiker der Union das fürchten. Und was sollen denn überhaupt all diese Politik- und Kultursendungen der Öffentlich-Rechtlichen in einer Zeit, wo alles käuflich ist, so werden die Herren des Wirtschaftsflügels schon denken. Die AfD zeigt ja schon lange mit dem Finger auf die öffentlich-rechtlichen Sender und versucht auf diese Weise mit einer Neiddebatte Stimmenpotenziale bei Wahlen abzuholen. Dabei war es doch der Urvater der CDU, Konrad Adenauer, der die Gründung des ZDF als Sender, der unter der Hoheit der Länder stehen sollte und nicht des Bundes, mit aller Kraft vorantrieb! Aber das ist heute halt auch schon lange her.
Zusammenfassung: Eigentlich sind die CDU und die CSU die Parteien, die aus einem christlichen Welt- und Menschenbild Politik machen wollen. Und das haben sie auch oft getan, von Helmut Kohl bis Theo Waigel, na ja bei Kohl mit Abstrichen, aber vieles bei ihm war doch gut und diente den Menschen. Da scheint bei manchen in letzter Zeit irgendetwas vergessen worden zu sein. Da klingt plötzlich auf einmal wieder das „Saludos Amigos“ durch, mit dem der damalige Ministerpräsident Max Streibl seine bierseligen Anhänger beim Politischen Aschermittwoch in Passau vor Jahren begrüßte. Der aber musste dann zügig gehen, weil die Zeit für solche Begrüßungen schlicht vorbei war. Und die Union wurde gerade mit Angela Merkel mehr als seriös. Und ein Bundespräsident der CDU musste vor Jahren gehen, nur weil er eine Urlaubsreise in das Haus eines Freundes gemacht hatte.
Aber vielleicht ist alles heute nochmals ganz anders. Vielleicht sitzen in der Wahlkampfzentrale der CDU in Berlin ein paar Wahlkampfmanager, die auf fallende Umfragewerte ihrer Partei gewettet haben. So wie bei den Leerverkäufen an der Börse. Die sollte man dann aber zügig finden und weiterschicken!
Straubinger Tagblatt vom 6. März 2021