Wer Nation und Patriotismus tabuisieren will, der bewirkt höchstens, dass beides in die Hände von Extremisten fällt.“ Einen solchen Satz können sich nicht viele Intellektuelle leisten. Aber weil Hans Maier ein hochintegerer Konservativer ist, liest man seinen Satz mit Interesse.
Die Folgen des Dritten Reichs haben in Deutschland dazu geführt, dass das Intellektuelle eher auf der linken Seite des politischen Spektrums zu finden ist, von Cohn-Bendit bis Habermas. Da ist es dann wohltuend, den neuen Band mit Maiers Vorträgen aus mehreren Jahrzehnten zu lesen, den sein Verlag unter dem Titel „Deutschland – Wegmarken seiner Geschichte“ zu seinem 90. Geburtstag herausgebracht hat.
Weil die „Vaterlandsliebe im Dritten Reich schauerlich missbraucht“ worden sei, geht es Maier darum, neu zu verorten, wo dieses Deutschland in Europa heute seinen Platz finden kann. Denn „falsche Antithesen zu Hitler könnten leicht zu Hitlers späten Siegen werden“. Ein Nationalstaat sein zu wollen, bedeute immer auch, sich selber Grenzen aufzuerlegen. Wer dazu nicht mehr fähig sei – mit Blick auf die Abgründe der eigenen Geschichte – der werde dann von den anderen Nationen leicht als „potentielle Hegemonialmacht identifiziert“. Interessant!
Maier hat mit seinen 90 Jahren noch die Unmenschlichkeit des Dritten Reichs und die Brutalität des Zweiten Weltkriegs erlebt. Sein Erzählen in den Texten „Hitler und das Reich“ oder „Das ,Dritte Reich‘ im Visier seiner Gegner“ atmen den Geist dieser Zeugenschaft.
Eine andere Konstante im Leben und Arbeiten Maiers war die Auseinandersetzung mit Fragen von Religion und Staat, oder auch Konfession und Staat. Auch das liest man gerne in seiner Beschäftigung mit dem Thema Säkularisation oder auch dem Text „Vom Zusammenleben der Religionen in Deutschland“.
Dass sich Maier in einem eigenen Kapitel mit Goethes Aneignung des Faust-Stoffes beschäftigt, zeigt abermals, wie speziell dieser Stoff für die deutsche Literaturgeschichte ist. Wenn er Goethes Faust am Ende in dessen Urvertrauen auf die Ordnung dieser Welt als „symbolische Bedeutung für die Weltzuwendung des Christentums in der Neuzeit“ in die Nähe des christlichen Glaubens rückt, hat er sicher nicht ganz unrecht.
Goethe allerdings hätte einer solchen Deutung wohl eher widersprochen! Aber wir wissen ja: Die Selbstinterpretation von Literaten ist nur ein Aspekt dessen, was geschrieben steht.
Maiers Buch „Deutschland – Wegmarken seiner Geschichte (C.H. Beck, 206 S., 25 Euro) sei herzlich empfohlen.
Straubinger Tagblatt vom 19. Juni 2021