Kölner Missbrauchsgutachten – Das Paradies auf Erden

Hurra! Es ist amtlich. Der Kardinal ist schuld- und sündenfrei! Die Kardinalsweste blütenweiß. Es waren die anderen. Und die Toten. Genauer der große Tote, der langjährige Ziehvater von Woelki. Der uns schon immer genervt hat. Mit seinen konservativen Sprüchen, die bis heute nachklingen. Und es gibt auch nicht wirklich Opfer. Sondern eher „Meldepflichtverletzungen“ nach Rom. Und die lassen sich beziffern. Ganz exakt. Sodass Menschen in diesen Zahlen gar nicht wirklich vorkommen. Schon gar nicht Opfer, an denen man sich versündigt hätte. Das erspart die Schmerzen. Eine Norm wurde verletzt. Eine ganz abstrakte, eine Regel also, die man nicht eingehalten hat. Man! Und eigentlich gibt es auch gar keine Täter. Denn die waren ja Teil des Systems, das es gab und in dem man gefangen war. Über Jahrzehnte. Ganz eigentlich – wenn man es ganz genau nimmt – waren also die Täter die Opfer!

Die Kanzlei, die jetzt das Gutachten gebracht hat – ganz im Sinne ihres Auftraggebers –, hat ganze Arbeit geleistet. Der Kardinal darf Kardinal bleiben. Weiter nach Rom reisen mit den Kollegen und dort die Sonne genießen. Köpfe müssen rollen, aber nicht seiner. Besser konnte es nicht laufen.

Aber eines zum Schluss: Damit hat ein konservativer Kardinal den Weg endlich frei gemacht, dass es in der katholischen Kirche am Ende weder Schuld noch Sünde gibt. Das Paradies auf Erden. Der Karfreitag entfällt in Zukunft.

Wer das noch braucht, der gehe doch bitte zu den Protestanten. Die haben das im Überfluss!

Straubinger Tagblatt vom 20. März 2021