Weihnachten für Anfänger: Zum Fest der Liebe erhofft sich mein Hund Caruso dieses Jahr eine ganz besondere Aufmerksamkeit

Caruso: Ja, ist denn schon wieder Weihnachten, Herr Professor?

Wie jedes Jahr, mein Freund!

Caruso: Und, haben Sie schon ein Geschenk für mich?

Aber Herr Caruso, wir haben doch ausgemacht, dass wir uns nichts mehr schenken. Einfach zusammen unter dem Weihnachtsbaum liegen…was könnten wir uns Schöneres wünschen? Weihnachtslieder hören, den Weihnachtsfrieden genießen, was wollen wir mehr?

Hmm, da fielen mir viele Dinge ein. Allein, wenn wir in der Vorweihnachtszeit an den Konditoreien in der Stadt vorbeilaufen, was ich da in den beleuchteten Schaufenstern an Plätzchen sehe, ahhh…mir fiele schon das eine oder andere Geschenk zu Weihnachten für mich ein…

Aber Herr Caruso, wir wissen doch beide, dass Sie das alles nicht vertragen. Dreimal mussten wir in diesem Jahr zum Tierarzt – und das nur, weil ich dreimal vergessen habe, die Tür zur Speisekammer zu schließen. Ich bin jetzt mit unserem Tierarzt „per Du“, was schön ist, aber der Weg dorthin wäre mir anders lieber gewesen.

Papperlapapp, das wissen Sie doch gar nicht, ob es wirklich einen Zusammenhang zwischen meinen Ausflügen in ihre Speisekammer und den anschließenden Tierarztbesuchen gibt, das könnte doch auch reiner Zufall gewesen sein!

Ich soll also auch noch an den Weihnachtsmann glauben! Herr Caruso, Sie sind das Gegenteil eines gut erzogenen und disziplinierten Hundes, wir wissen das beide. Sie folgen Ihren Trieben und Instinkten – und denken nicht an das Morgen, das unterscheidet uns zuinnerst!

Aber irgendetwas werden Sie doch an Weihnachten – als mein Freund – für mich haben!!

Ja, natürlich, wir machen wie immer unseren gewohnten Weihnachtsspaziergang am Nachmittag im Bayerischen Wald, wenn es dämmert und von den Nachmittagsmetten die Kirchenglocken so romantisch aus den Dörfern in den Wald herüberklingen.

Oh, wie aufregend!

Doch, doch, das ist immer wieder schön. Das versetzt mich in meine Kindheit zurück. Alle Probleme kann ich da vergessen, einfach weil Weihnachten ist.

Ahh, oje, also Weihnachtsspaziergang – und dann?

Na, wenn Sie das in der bisherigen Form nicht befriedigt, dann können wir gerne länger laufen, ich hab’ auch das Gefühl, dass diese Weihnachtsspaziergänge länger dauern sollten.

Was, noch länger?? Immer derselbe Weg, immer dieselben Kirchenglocken, immer dasselbe Weihnachten, gibt’s denn überhaupt nichts, was Sie für mich tun könnten?

Herr Caruso, jetzt mal für Verstehens-Anfänger: Weihnachten ist ein Fest für die Seele. Da geht man in die eigene Mitte zurück. Wird gelassen und ruhig – und denkt sogar, jedenfalls wenn man nicht so verfressen ist wie mancher Hund auf dieser Welt, dessen gedanklicher Horizont also auch an Weihnachten offensichtlich eingeschränkt bleibt, ein wenig an den lieben Gott! Das ist Weihnachten!

Und am Ende auch noch „Stille Nacht“, alle drei Strophen… mein Gott, ich sehe schon, dieses Weihnachten wird genauso fad wie jedes andere Weihnachten, das ich mit Ihnen erlebt habe.

Nicht ganz, mein Freund. Eine Neuerung gibt es. Gegen Mitternacht kommt unser Tierarzt auf einen Besuch vorbei, über unseren Begegnungen in diesem Jahr sind wir tatsächlich Freunde geworden und so wollen wir am Ende des Heiligen Abends noch ein Glas Champagner miteinander trinken!

Tatsächlich! Das ist eine gute Botschaft. Endlich eine Abwechslung. Und also…wenn der sowieso zu uns kommt, dann spricht doch nichts dagegen, dass Sie an diesem Weihnachtsabend ausnahmsweise als Weihnachtsgeschenk – ganz aus Versehen – die Tür zur Speisekammer ein wenig offen lassen, Sie verstehen, was ich meine?

Herr Caruso, Sie bleiben ein aussichtsloser Fall!

Straubinger Tagblatt vom 13. Dezember 2025