Die Genese einer Volkspartei

SZ-Redakteur Roman Deininger porträtiert humorvoll und kenntnisreich das Profil der CSU

Als vor 40 Jahren Franz Josef Strauß das Straubinger Gäubodenvolksfest eröffnete, hatte er für danach auch einen Besuch im „Straubinger Tagblatt“ zugesagt. Weil die Redakteure wussten, dass Strauß während seiner Eröffnungsrede bereits ein oder auch zwei Maß Bier getrunken haben würde, tischten sie danach alles Mögliche auf: Kaffee, Säfte, Kuchen und auch Tee. Doch Strauß blickte voller Verachtung auf die dargebrachten Gaben und meinte nur: „Habt’s kei Bier?“ Das Redaktionsgespräch dauerte dann über zwei Stunden, Strauß redete sich in Rage und trank währenddessen noch sechs Flaschen Bier. Die Tonbandaufnahmen, die wir mitlaufen lassen durften, behielten wir für uns, um den Frieden im Land nicht zu stören.

Wer die CSU und ihre Politiker über Jahre begleitet, der hat wahrhaftig etwas zu erzählen. Roman Deininger, Redakteur bei der „Süddeutschen Zeitung“, hat jetzt eine Fülle von Begegnungen mit Politikern der CSU in seinem Buch „Die CSU – Bildnis einer speziellen Partei“ festgehalten. Deiningers Buch ist aber vor allem deshalb so lesenswert, weil es gerade nicht nur Anekdoten versammelt, die witzig und unglaublich erheiternd sind, sondern weil es all diese Begebnisse in einen Historienteppich hineinwebt, der zeigt, wie die CSU seit ihrer Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg genau die Partei wurde, als die wir sie heute kennen: ganz speziell eben.

Gut ist vor allem, dass der Autor dem Gegenstand seines Erzählens bei aller Kritik prinzipiell wohlwollend gegenübersteht. Er arbeitet die historischen Leistungen der Partei exakt heraus und hat durchaus Sympathie für die prägenden Figuren dieser Partei. Vieles, was er erzählt, ist heute auch vergessen. Umso wertvoller sind seine Erinnerungen. Etwa die Auseinandersetzung mit der Bayernpartei, die am Anfang noch ein ebenbürtiger Rivale war, dann aber mit viel List und Tücke niedergerungen wurde. Oder auch die Regierungsjahre des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner ab 1954, der deshalb das Land lenken durfte, weil die CSU ihn unterschätzte und sich selbst überschätzte.

Besonders interessant sind natürlich die Teile, die sich der jüngeren Geschichte Bayerns widmen. Der Verlust der Macht von Stoiber, die harte Auseinandersetzung zwischen Seehofer und Söder, der Machtkampf zwischen Waigel und Stoiber, die Kanzlerkandidaturen von Strauß und Stoiber, all das wird detail- und kenntnisreich erzählt.

Weil es aber ein glänzender Journalist ist, der erzählt, finden sich wunderbare, fast literarische Bilder und Wortspiele in diesem Buch. So etwa, wenn er den Landesgruppenchef der CSU in Berlin, Alexander Dobrindt, folgendermaßen charakterisiert: „Am Ende seiner Verwandlung vom Schützenkönig zum Maßanzugträger stand deshalb auch eine Art Maske, die er in der Öffentlichkeit seither immer aufhat. Das freundliche, aber komplett unbewegte Gesicht. Die vor der Brust verschränkten Arme. Der weiche, stocknüchterne Ton, als würde er von einem unsichtbaren Blatt ablesen.“ Oder wenn Deininger erzählt, wie Markus Söder als Ministerpräsident zum ersten Mal bei der Fronleichnamsprozession in München teilnahm: „Nach der Fronleichnamsprozession beschwerten sich Katholiken mit Sinn für Etikette, Söder habe während der Prozession ständig den Zuschauern am Wegesrand zugewinkt. ‚Wir sind doch nicht beim Oktoberfestumzug‘, schimpfte einer.“

All diese Miniaturen arbeiten am Ende das Profil einer Partei heraus, die Bayern über Jahrzehnte prägte und immer noch prägt. Und die Figuren, die so unglaublich gut beschrieben werden und die man sonst eher aus der Tagesschau festgezurrt in ihren Berufspolitikerrollen erlebt, werden dabei lebendig wie Romanfiguren, mit denen man mitempfindet und mitgeht. Das ist nicht nur spannend zu lesen, sondern auch sehr lehrreich. Die Zeit vergeht beim Lesen wie im Flug!

Roman Deininger: Die CSU – Bildnis einer speziellen Partei. C. H. Beck Verlag, München, 352 Seiten, 24 Euro.

Straubinger Tagblatt vom 28. März 2020