Die mit großem Abstand beste Analyse zur Situation im Iran habe ich vor wenigen Tagen in der „Süddeutschen Zeitung“ gelesen. Der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani, der allseits hochgeachtet wird und 2015 den Friedenspreis der Deutschen Buchhandels erhielt, ist nun wirklich kein Freund des Regimes im Iran. Ganz im Gegenteil: Er kennt die Menschen, die im Iran verfolgt werden und in den Gefängnissen einsitzen, er ist ein Gegner des menschenverachtenden Mullah Regimes. Er weiß um die wirtschaftlichen Bedrängnisse der Menschen in ihrem Alltag im Iran. Aber dennoch: Er ist hochgradig entsetzt, dass israelische Bomben auf den Iran fallen.
Warum? „Ein Krieg, möchte ich meinen israelischen Bekannten zurufen, zerstört die Chancen auf eine demokratische Zukunft Irans. Unmittelbar wird er zur Folge haben, dass die Repression massiv zunimmt und die Oppositionellen, die Frauenrechtlerinnen, die Künstler, die Bahais in den Gefängnissen, einer nach dem anderen hingerichtet werden … Und dann, wenn die herrschenden tatsächlich um ihr Leben fürchten, werden sie nicht nur das eigene Land mit in den Untergang zu ziehen versuchen, sondern die ganze Region.“
Und die Gefahr, dass der Iran am Ende tatsächlich über die Atombombe verfügt und noch mehr zu einem Terrorstaat wird, als er das seit Langem schon ist? Kermani weist nochmals darauf hin, dass es Donald Trump war, der die funktionsfähigen Kontrollen durch internationale Behörden beenden ließ und die jetzt – kurz vor ihrer Wiederaufnahme – durch den Bombenhagel auf Iran ersetzt werden.
Sicher, auf den ersten Blick wirkt es entlastend, dass Israel zusammen mit dem amerikanischen Verbündeten im Iran militärisch durchgreift. Aber der zweite und differenziertere Blick zeichnet ein ganz anderes Bild! Der Nahe und Mittlere Osten wird noch stärker destabilisiert – und die Machthabenden im Iran, deren Stärke im eigenen Land längst bröckelt, werden durch die Bedrohung von außen wieder stärker und mächtiger.
Schon im Irak, in Afghanistan, aber auch in Libyen hat sich doch gezeigt, dass militärische Lösungen, die von außen aus einer scheinbaren Position der Stärke kurzfristig Wirkung zeigen, auf lange Sicht zu Rückschritten führen. Kermani führt aus, dass es heute – trotz des Mullah Regimes – im „Iran eine Zivilgesellschaft gibt, die so mutig und kreativ ist wie keine andere auf der Welt, es gibt oder, besser gesagt, gab jeden Tag Proteste, auch wenn wir hier im Westen nichts mehr davon mitbekamen, es werden und notfalls heimlich, die kritischsten und besten Filme gedreht, und ein gewöhnlicher Mullah traut sich in Teheran kaum noch auf die Straße, so unbeliebt ist die religiöse Herrschaft beim Volk.“Diese Substruktur im Iran, die vielen Menschen dort hilft und Hoffnung macht, wird jetzt durch die Bomben vor allem Israels untergraben. Und man muss ja doch auch bedenken: Benjamin Netanjahu ist einer der schlimmsten Mörder des 21. Jahrhunderts!
Mit dem Krieg gegen den Iran lenkt er vor allem auch von den Massakern, die er im Gazastreifen an der unschuldigen Zivilbevölkerung anrichten lassen hat, ab. Auch von den Toten, die aus dem eigenen Land in diesem Krieg zu beklagen sind und die in den Medien Israels regelmäßig übergangen werden. Kermani bestätigt nochmals, dass die israelische Regierung „trotz aller Warnungen aus der eigenen Armee nichts tat, um den 7. Oktober zu verhindern“.
Einen Schritt weiter muss man doch fragen: Hat Benjamin Netanjahu nicht ganz bewusst einen Konflikt an der Grenze zu Gaza gesucht, um durch einen Krieg der eigenen Verhaftung wegen seiner offenkundigen Korruptionsvergehen zu entkommen und so also weiter an der Macht zu bleiben? Mir haben sich zwei Bilder eingeprägt, die ich nicht vergessen kann! Bereits am ersten Tag des Krieges gegen Gaza trägt ein Mann weinend sein totes Kind auf den Armen und ruft: „Aber wir können doch nichts dazu!“ Ein zweites Bild aus der Zeitung: Drei weinende kleine Söhne lehnen sich über den Sarg des durch die Bomben auf Gaza ermordeten Vaters.
Benjamin Netanjahu ist kein Politiker, mit dem man sich heute solidarisieren darf! Er ist ein schlimmer Mörder, der die Sache Israels längst zum eigenen Nutzen verraten hat! Wenn Friedrich Merz sich an der Seite Netanjahus dankbar zeigt, dass der die „Drecksarbeit“ übernehme, zeigt er einmal mehr, wie ungeeignet er für das Amt eines Bundeskanzlers in diesem Land ist!
Navid Kermani beschließt seinen klugen Text mit den Worten: „Wer Respekt vor der Drecksarbeit hat, Bomben auf Zivilisten abzuwerfen, ist selbst ein Dreckskerl.“ Dass sich der hochkultivierte Intellektuelle Navid Kermani so scharf äußert, zeigt, was in Wirklichkeit Sache ist!
Straubinger Tagblatt vom 27. Juni 2025