Wieder einmal landet das Thema Abtreibung auf den Schreibtischen der Bundestagsabgeordneten und der Redaktionen. Worum geht es? Die einen wollen den Weg zum Abbruch erleichtern, um das Thema aus dem Dunkelfeld der Kriminalisierung herauszunehmen. Die andere Seite befürchtet weniger Schutz für das ungeborene Leben. Was gar nicht gut ist, ist dabei, wie plakativ wieder einmal diskutiert oder auch demonstriert wird.
Ein Beispiel, wie tiefgehend die Probleme am Ende wirklich sind, zeigt sich am Beispiel einer sehr liebenswürdigen Frau, über die das Format „Lebenslinien“ im Bayerischen Fernsehen vor Kurzem berichtete. Getrennt von ihrem Lebenspartner zieht sie bereits alleine mühevoll ein Kind auf. Ein neuer Mann tritt in ihr Leben, der allerdings noch gebunden ist, aber doch die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft in Aussicht stellt. Als die Frau ihm sagt, dass sie ein Kind erwarte, antwortet er: „Von wem ist denn das Kind?“ Das ist mehr als ordinär! Und es zeigt sich zudem sehr schnell, dass er überhaupt kein echtes Interesse an gemeinsamer Zukunft hat, sondern es sich in seinem Leben einfach bequem gemacht hat. Mit seiner Frau und einer Geliebten. Die Frau fällt buchstäblich aus allen Wolken und kann das werdende Leben nicht annehmen. Wer will sie dafür verurteilen?
Das ist ein großer Gegensatz zu denen, die leichtfertig mit diesem Thema umgehen. So wie vor Jahren die Politikerin Jutta Ditfurth, die meinte, zwei Abtreibungen seien für „ein lustvolles Liebesleben“, wie sie es nannte, gerne in Kauf zu nehmen. Die vereinfachenden Parolen „Mein Bauch gehört mir“ sind brutal. Aber es gibt eben Fälle, die tiefer gehen und nicht leichtfertig abgetan werden sollten.
Überhaupt wird die Rolle der Männer bei diesem Thema gerne übersehen. Es gibt viele Frauen, die werdendes Leben liebend annehmen würden, aber von Partnern oder vermeintlichen Partnern im Stich gelassen oder auch regelrecht zu einer Abtreibung angetrieben werden. Rücksichtslos. Lieblos.
Dass das Thema Abtreibung Frauen über Jahre beschäftigt, hat mir einmal ein alter, sehr kluger Priester erzählt. Immer wieder kämen Frauen zu ihm in den Beichtstuhl, die schwer damit fertig würden, ein Kind nicht angenommen zu haben. Wenn er dann freundlich frage: „Aber das haben Sie doch bestimmt schon gebeichtet“, höre er oft die Antwort: „Aber es geht aus meinem Inneren nicht weg.“ Das zeigt doch deutlich, wie gravierend ein solcher Schritt für einen liebenden und sensiblen Menschen ist. Mit vereinfachender Diskussion in Politik und Medien ist da am Ende niemanden gedient.
Was zudem oft auch nicht gesehen wird, ist, dass werdendes Leben auch eine riesige Schicksalschance sein kann, die man nicht leichtfertig aus der Hand geben sollte. Menschen fühlen sich von ihrem Leben häufig überfordert und da kommt dann plötzlich auch noch ein Kind! Dabei wird von außen plötzlich sichtbar, dass gerade dieses Kind eine unglaubliche Lebenschance auch in der Lebenssituation der beiden Partner sein kann, während die beiden das gar nicht erkennen können.
Deshalb ist die Regel, die in Deutschland vorgeschrieben ist, dass mit Dritten, die Profis für solche Situationen sind, ein Gespräch verpflichtend zu führen ist, unglaublich gut! Denn oft wird erst hier für die beiden Eltern sichtbar, welches Glück sie mit dem Kind, das ihnen geschenkt ist, in Wirklichkeit haben.
Eine vereinfachende, auch vereinfacht moralisierende Diskussion des Themas Abtreibung führt all diese Aspekte zu wenig vor Augen. Dem Schutz des Lebens, das eben unbedingt geschützt sein soll, ist dann am meisten gedient, wenn erlebt werden kann, wenn verstanden wird, welches Geschenk ein Kind ist. Dazu gehört am Ende aber auch eine menschenfreundliche Welt, ein menschenfreundliches gesellschaftliches Klima. Vom Kindergartenplatz bis hin zur Pflege in Alter und Krankheit. All das zusammen bedeutet die „Kultur des Lebens“, die gerade von christlicher Seite immer wieder angemahnt wird. Für eine solche Welt lohnt es zu kämpfen!
Straubinger Tagblatt vom 16. April 2024