Es tut unendlich gut und ist psychisch entlastend, wenn dem allabendlichen oberflächlichen Sprechen von Politikern und von sogenannten Experten im Fernsehen hierzulande eine Stimme der Geistes- und Seelenbildung antwortet. Dass die „Süddeutsche Zeitung“ dem Denken und Sprechen des Philosophen Jürgen Habermas regelmäßig Raum gibt, dafür kann man nur dankbar sein. Wieder einmal hat er zum Ukraine-Krieg Kluges aufgeschrieben und das Ganze dann noch in einen weiteren welthistorischen Kontext gestellt.
Habermas hat sich längst von seinen Vorgängern Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, die nicht weniger lesenswert sind, emanzipiert. Schon 2001, als er in Frankfurt den Friedenspreis erhielt, zeigte er eine Nähe zum christlichen Denken. Wenn Menschen mit Technik fähig würden, einen Embryo zu planen, so sagte er damals, dann wäre diesem kleinen Menschen wegen des Ausschlusses des Zufallsprinzips seine Freiheit von Anfang an genommen. Das ist der Schöpfungsgedanke, wie ihn Christen haben, aber eben philosophisch formuliert. Immer wieder zeigt sich, dass es zwischen einer fundierten Philosophie, die auch aus dem Marxismus kommt, und christlichem Weltverstehen Berührungspunkte gibt.
Jürgen Habermas ist heute 95 Jahre alt und er hat die Schrecken des Zweiten Weltkrieges noch am eigenen Leib mitbekommen. Papst Franziskus ist nur wenige Jahre jünger als Habermas. Aus dem Krankenhaus in Rom heraus hat er der Welt nochmals zugerufen, dass von dort aus, wo er jetzt ist, Kriege noch sinnloser und absurder erscheinen, als er das vorher schon gedacht und erlebt habe. Stimmen wie die von Jürgen Habermas und Papst Franziskus sind gerade in diesen Zeiten selten wertvoll!
Straubinger Tagblatt vom 24. März 2025