Guten Morgen, Herr Caruso!
Caruso: Sie schon wieder!
Ja, ich schon wieder, aber diesmal mit einer sehr guten Nachricht!
Caruso: Die da wäre?
Man hat Ihnen den Nobelpreis zuerkannt! Das Komitee hat vorgestern in Oslo getagt und Ihnen einstimmig den Nobelpreis zuerkannt.
Caruso: Was für einen Nobelpreis?
Den „Nobelpreis für tierisches Wissen“!
Caruso: Mein Gott, ihr Narren, glaubt ihr wirklich, dass ich diesen Preis annehme?
Ja warum denn nicht?
Caruso: Weil die, die einen Preis verleihen, doch immer nur sich selber auszeichnen! Das ist mir längst klar. Da geht’s doch nicht um den Ausgezeichneten! Niemals geht es um den! Man schmückt sich mit dem Preisträger – und jetzt will man also auch noch mich auf diese Art und Weise vereinnahmen. Ich nehme diesen Preis auf keinen Fall an!
Aber Herr Caruso, das können Sie doch nicht machen, das ist ein Affront gegen die ganze Menschheit!
Caruso: Ja, das mag sein, aber schauen Sie: Unser tierisches Wissen, unsere kluge Hundewelt kann von euch Menschen eben nicht ausreichend verstanden werden – mit Betonung auf Verstand! Indem ich diesen Preis bekommen soll, wollt ihr doch nur den Eindruck erwecken, dass auch unsere Welt ganz zu euch gehört; ihr also gleichsam über sie und also uns verfügen könnt, das mache ich auf keinen Fall mit.
Aber es gibt doch so viele Ähnlichkeiten…
Caruso: Schauen Sie, was damals der Schriftsteller Franz Kafka versucht hat – „Forschungen eines Hundes“ hat er seine Erzählung genannt und in einer anderen Geschichte lässt er einen Affen sich in einen Menschen verwandeln – was für eine Anmaßung! Am Ende beschreibt er doch nur, wie er sich als Hund oder Affe fühlen würde, über uns sagt das rein gar nichts aus!
Sie lesen Franz Kafka?Caruso: Ja, was denken denn Sie, was wir auf der Hundeschule treiben? Dass wir dort lernen, Stöckchen zu apportieren? In welcher Welt leben Sie denn?
Ich gebe zu, dass ich nicht so genau weiß, was auf der Hundeschule gelehrt wird.
Caruso: Auf jeden Fall lernen wir dort, was Menschen denken, das wir denken – oder fühlen – und ich kann Ihnen sagen, uns graut dabei!
Herr Caruso, ich bin immer wieder fasziniert von Ihnen und Ihrer Sicht auf die Welt. Schade, dass Sie den Preis nicht annehmen, noch dazu mit diesem Preisgeld.
Caruso: Was hätte es denn gegeben?
Eine halbe Lastwagenladung reinstes Hundefutter, ökologisch erste Klasse, Huhn und Rind, nicht vermischt mit Reis…
Caruso: Tatsächlich? Eine halbe Lastwagenladung voll? Hmhmhm… also tatsächlich?
Ja, das ist doch schade drum?
Caruso: Naja, und es wäre natürlich auch ein Friedenszeichen an euch, diesen Preis anzunehmen, da haben Sie dann auch wieder recht!
Eben, Herr Caruso, als Zeichen des Friedens!
Caruso: Also gut, lassen Sie uns morgen nochmals darüber reden, wo es solch gewichtige Gründe gibt, diesen Preis doch anzunehmen!
Herr Caruso, ich danke Ihnen für dieses Gespräch, ich werde mich also morgen nochmals bei Ihnen melden!
Caruso: Ja, machen Sie das, bis morgen!
Straubinger Tagblatt vom 9. November 2024