Auch andere wollten Kaiser sein, sodass das Kaiser-Leben in Rom fast immer recht unnatürlich und oft schon nach kurzer Zeit endete. Dafür war es aber schön und ereignisreich. Mit der Ermordung Cäsars und der Herrschaft von Augustus war die Römische Republik am Ende des ersten Jahrhunderts vor Christus für immer vorbei, und es galt, sich im alten Rom über Jahrhunderte einzustellen auf die herrsch- und prunksüchtigen Kaiser der Stadt, die bis heute das Wort geprägt haben: „Zustände wie im alten Rom!“
Was gab es für die Kaiser da nicht alles zu erleben! Vor allem natürlich Sex in allen möglichen und wunderbaren oder auch wundersamen Variationen – aber vor allem natürlich das Kaiser-Sein selber. Alle anderen waren die Untertanen. Ein herrlicher Zustand für den Kaiser – und eine Denksportaufgabe für die anderen! Wie verhalte ich mich gegenüber dem Allmächtigen? Auf jeden Fall freundlich und loyal; aber wann darf ich lachen, ohne dass der Kaiser meint, dass ich ihn verlache? Denn ein scheinbarer Affront gegen den Kaiser konnte schnell den eigenen Tod bedeuten!
Als sich in der Regierungszeit des Augustus ein Freund im Kaiser-Palast einfindet, um dem Kaiser die Aufwartung zu machen, antwortet Augustus auf den Gruß des Freundes: „Guten Morgen, Cäsar!“ mit den Worten „Leb wohl, Fulvius“, was der Freund sinnigerweise so deutet, dass er sich, wieder zu Hause angekommen, sogleich das Leben nimmt. Um solchen dramatischen Lebenswendungen zuvorzukommen, erzählt der Historiker Sueton eine lustige Geschichte: Lucius Vitellius biederte sich dem Kaiser Claudius dadurch an, dass er in der Öffentlichkeit einen Schuh der Frau des Kaisers, Messalina, mit sich herumtrug, um ihn immer wieder aus seinen Kleidern hervorzuholen und für alle augenfällig zu küssen.
Auch in unserer Zeit gibt es Kaiser, am auffälligsten Donald Trump und Wladimir Putin. Aber man stelle sich vor, Friedrich Merz hätte im Oval Office einen Schuh von Trumps Ehefrau Melania aus der Tasche geholt und vor den Kameras der Welt auch noch geküsst! Das wäre aus vielen Gründen kaum gut angekommen! Die Geburtsurkunde des Großvaters von Präsident Trump, auch noch großflächig vergrößert, überraschend zu präsentieren, das war die bessere Idee, fast schon genial! Eine Erinnerung daran: Du kommst doch aus Deutschland, lass uns Freunde sein, ich habe gesehen, wie du hier mit anderen umgehst, lass uns das bitte vermeiden! Das war schon eine sinnvolle Botschaft an den amerikanischen Präsidenten, der sich so gerne vor laufender Kamera in Szene setzt.
Man kann es kaum vermeiden, bei der Person Donald Trump an die römischen Kaiser zu denken. Sicher, damals ging man zur Jagd und den Kaisern wurden Löwen und Bären vor die Nase gehetzt, sodass sie nur mehr wenig zu tun hatten, um erfolgreich zu sein. Das Golfspielen war noch nicht erfunden. Immerhin, beim rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu fing man vor der Jagd mit seinen Freunden noch ein paar rumänische Wildschweine und auch Bären ein, die man dann in seiner Nähe so aussetzte, dass selbst er sie mit seinem Jagdgewehr nicht mehr verfehlen konnte. Donald Trump dagegen spielt Golf – und es ist bekannt, dass Bälle, die weit weg vom Golfplatz ihr Schicksal eigentlich im Nirvana des Nichts für immer beschließen, am Ende nicht weit weg vom Grün, das zum Loch führt – auch aus dem Nichts – auf einmal wieder auftauchen. Denn der amerikanische Präsident ist eben nicht nur ein Präsident, sondern auch noch ein Zauberer.
Dass er seinen Golfklub in Florida dankenswerterweise so renovieren ließ, dass mitten unter den Porträts der Vereinsmeister jetzt auch noch sein eigenes Porträt hängt – dem Vernehmen nach sogar etwas größer als die der anderen – versteht sich, obwohl Donald Trump die Meisterschaft dieses Klubs gar nie niemals gewonnen hat. Aber in der Welt der „alternativ facts“, der alternativen Wahrheit also, die früher eher Lüge genannt wurde, dann zeitweise eine gelungene Fantasie, ist das eben doch auch eine Wahrheit, dass der, der das Klub-Lokal renoviert, schon am allerbesten weiß, welche Porträts dort wie zu hängen haben.
Auch bei Wladimir Putin ist die Nähe zu römischen Kaisern unübersehbar. Auch er ist der Held seiner Welt. Unvergessen die Bilder, wie er mit nacktem Oberkörper durch die russischen Steppen reitet oder auch an den Flüssen des Landes Fische fängt. Der Kontakt mit ihm ist ähnlich gefährlich, wie das schon bei den römischen Kaisern war, er kann nämlich schnell tödlich sein. Elagabal, römischer Kaiser von 218 bis 222, liebte es, Freunde zu bewirten. Es konnte allerdings passieren, dass er beim Gastmahl von oben Rosenblätter regnen ließ, die so zahlreich waren, dass die, die sich gerade noch für seine Freunde gehalten hatten, daran erstickten. Eine seltsame Form der Gastfreundschaft. Ein ganz besonderes Gastmahl veranstaltete damals Kaiser Domitian. Er ließ den Gastraum in seinem Palast ganz in Schwarz verhüllen und die bedienenden Sklaven auch noch schwarz schminken. An jedem Platz stand zudem eine schwarze Grabstele, wo der Name des Gastes bereits eingraviert war. Der Kaiser selbst hielt eine Rede auf den Tod. Kein Wunder, dass es die kaiserlichen Gäste gruselte. Vor allem, als es dann nachts an ihrer Tür klopfte, wurde es ihnen mehr als unbehaglich. Immerhin, der Kaiser hatte nur seine Lust, sie zu erschrecken, und ließ ihnen mitten in der Nacht ihre persönliche Grabstelle vorbeibringen, verbunden mit einem herzlichen Gruß. Dann durften sie weiterschlafen. Ein recht makabrer Humor.
Ansonsten wurde im alten Rom aber vor allem viel vergiftet, von Frauenhand, aber auch von Männern. Auch das erinnert sofort an den Präsidenten Russlands. Es wurde viel gemordet damals – und in Russland ist das heute noch so. Dort sind vor allem die Fensterstürze sehr nachgefragt. In Rom konnte vor allem die eigene Verwandtschaft zum tödlichen Angriff ausholen, oder auch der Kaiser selbst, um dem zuvorzukommen, beliebt allerdings waren auch Anschläge von Sklaven, die zum Morden gedungen waren – oder von Trainern, die eigentlich dazu gedacht waren, die Kaiser zu ertüchtigen und nicht, sie hinterrücks zu ermorden. Aber wer im alten Rom kurze Zeit Kaiser sein wollte, dem war wohl bewusst, wie er enden würde – nur wann, so ganz exakt, das blieb wenigstens offen.
Bei Donald Trump und Wladimir Putin ist das immerhin anders. Putin hat sich längst zum Präsidenten auf Lebenszeit ernannt – und man kann kaum glauben, dass dieses Leben überhaupt jemals endet – und er selber glaubt das schon gar überhaupt nicht! Ein schon in dieser Welt zum Gott Gewordener also, der die Zeit zu überdauern gedenkt. Und Donald Trump wurde – wider Erwarten – nach einer kleinen Pause dann doch wieder Präsident in Amerika – und auch er denkt, so sagt er es jedenfalls laut, darüber nach, die bisher geltenden Regeln so zu ändern, dass auch er weiter Kaiser von Amerika sein darf.
Denn Kaiser-Sein hat vor allem auch lustige Seiten, wenigstens für den mächtigen Kaiser. Elagabal hatte Freude daran, dem römischen Adel ekelerregende Speisen aufzutischen, zum Beispiel Kamelfersen oder Flamingohirne, die kein Mensch essen mag; aber die Gäste durften natürlich keine Miene verziehen! Und wenn vor den Gästen auf einer Bühne ein Ehebruch theatralisch dargestellt wurde, so bestand Elagabal darauf, dass das alles „in echt“ zu vollziehen sei. Die Geschmäcker der Menschen sind halt verschieden.
Wladimir Putin hatte auf jeden Fall große Freude daran, seinen riesigen schwarzen Labrador durch seinen Salon streifen zu lassen, während er mit Angela Merkel sprach, weil er doch ganz genau wusste, dass das „Mädchen“, wie Helmut Kohl seine Angela nannte, vor großen Hunden große Angst hat. Und begrüßt wurde Angela Merkel von ihm nicht mit roten Rosen, sondern mit weißen, einer Farbe, die bei Rosen eben das Gegenteil von Liebe bedeuten soll. Dass er seine Gäste gerne an einem Tisch sitzen lässt, der diese mit Schwimmbadlänge von ihm distanziert, ist allgemein bekannt und in der so kommunizierten Bedeutung kaum misszuverstehen. Immerhin, diese Treffen haben dann doch alle überlebt.
Einen gewaltigen Unterschied gibt es am Ende doch zwischen Wladimir Putin und Donald Trump. Trump will reich sein und das Leben genießen. Dafür manipuliert er die Börsen und spielt seine Spiele. Schlimm genug für die Demokratie in Amerika. Bomben ließ er damals im Krieg mit Syrien auf ein paar unbewohnte Wüstenabschnitte fallen, es sollte offensichtlich kein Mensch zu Schaden kommen – und im Iran ist das jetzt gar nicht so viel anders. Ein Narzisst also mit Tötungshemmung. Bei Putin ist das ganz anders: ein Narzisst ohne Tötungshemmung.
Und die römischen Kaiser? Sind längst Geschichte – nur die Kultur der Durchsetzung ihrer Interessen, ihr rücksichtsloses Machtstreben, das Ermorden ganzer Völker mitsamt den Frauen und Kindern, etwa in den Punischen Kriegen gegen Karthago, das wurde also historisch in seiner archaischen Form weitergegeben – bis heute. Vielleicht ist es gar nicht die schlechteste Lösung, zu lernen, wie man damit so umgeht, dass der eigene Schaden möglichst gering bleibt! Denn, dass die ganze Welt 2.000 Jahre nach Roms Herrschaft zur Demokratie mutiert, ist irgendwie auch unwahrscheinlich.
Literaturhinweis:
Noch mehr Anekdoten zur Welt der römischen Kaiser finden sich in dem empfehlenswerten Buch von Mary Beard, „Die Kaiser von Rom“, München 2024, erschienen bei S.Fischer
Straubinger Tagblatt vom 5. Juli 2025