Der Widerstand der Europäischen Volkspartei gegen das EU-Naturschutzgesetz stößt auf Kritik – unter anderem bei Felix Prinz zu Löwenstein. Der Agrarwissenschaftler und Landwirt ist Mitglied im Bioökonomierat der Bundesregierung, Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für biologischen Landbau und war 19 Jahre Vorsitzender des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft.
Herr zu Löwenstein, danke, dass Sie sich Zeit für ein kurzes Interview nehmen.
Felix Prinz zu Löwenstein: Immer gerne.
Sie sind Bauer und Agrarwissenschaftler. Waren auch jahrelang Entwicklungshelfer in der Dritten Welt. Was sagen Sie zu Manfred Webers Argument, dass das neue europäische Gesetz die Nahrungssicherheit infrage stellt.
Löwenstein: Das ist genau falsch. Nahrungssicherheit benötigt funktionierende Ökosysteme. Sie braucht mehr als nur Fläche. Das haben wir über Jahrzehnte vernachlässigt.
Dann bewerten Sie das Gesetz als gut?
Löwenstein: Natürlich. Es ist dringend notwendig und der sehr spät kommende Versuch, eine längst eingegangene Selbstverpflichtung zu erfüllen. Nur ausreichende Biodiversität gewährleistet fruchtbare Agrarlandschaften. Manfred Webers Aufschieberei können wir uns nicht mehr leisten!
Wie kann das Gesetz helfen?
Löwenstein: Indem es Vorrangflächen für die Natur schafft. So könnte man Bäume und Büsche in die Agrarlandschaften integrieren, Humus in Ackerböden aufbauen und die Wasserhaltefähigkeit der Böden deutlich verbessern. Das braucht die Landwirtschaft dringend!
Wasser ist ja ein Problem geworden!
Löwenstein: Ja, das haben wir im Aartal gesehen. Wir müssen den Ablauf des Wassers bremsen, damit mehr versickert und solche Flutereignisse entschärft werden. Das neue Gesetz steht überhaupt nicht im Gegensatz zur Landwirtschaft, sondern ist notwendig, damit funktionierende Ökosysteme auch funktionierende Landwirtschaft ermöglichen!
Und Manfred Webers Politik?
Löwenstein: Steht im Widerspruch zur Zukunftskommission Landwirtschaft, wo alle 30 relevanten Verbände, auch die Bauernverbände, die Ziele der EU-Kommission geteilt haben.
Herr zu Löwenstein, das war mehr als erhellend, danke.
Straubinger Tagblatt vom 8. Juli 2023