Guten Morgen, Herr Caruso, es gibt Neuigkeiten!
Ja wie denn, ja was denn?
Herr Caruso, stellen Sie sich vor, ein chinesischer Konzern mit Namen Baidu hat ein Patent für Tierübersetzung eingereicht. Damit könne man endlich entschlüsseln, was Hamster, Hunde und Katzen fühlen und uns sagen wollen.
Die sind ja von gestern! Haben die in China gar nicht mitbekommen, dass wir beide uns seit Monaten auf höchstem Niveau unterhalten? Lesen die dort keine Zeitung? Kann man dort unsere Heimatzeitung nicht kaufen? Was ist das denn für ein Land? Da fehlt ja etwas!
Na, Herr Caruso, ruhig Blut, da gibt’s doch diese riesige chinesische Mauer, da gingen diese Informationen bestimmt nicht drüber… und ich weiß gar nicht, ob die in China das Internet, wo unsere Gespräche auch zu finden sind, schon haben…
Doch, doch, aber eben nicht für alle – und alles steht da in China gar nicht drinnen, und schon gar nichts, was eine anarchistische Tendenz hat so wie unsere Gespräche… Und die Chinesen sind doch sowieso irgendwie seltsam, finde ich… schaffe, schaffe, Häusle bauen, die Chinesen sind doch die Schwaben von heute. Kein Wunder, wenn die für ihre Beziehungen zu Hunden auch noch eine digitale App brauchen.
Keine Vorurteile bitte, weder gegen Chinesen noch gegen Schwaben! Und überhaupt, irgendwie sind die Chinesen nicht ungefährlich, eine Weltmacht mittlerweile und ihr Anführer, Xi Jinping, der schaut auf Bildern immer mehr aus wie Stalin, finde ich! Derselbe Gesichtsausdruck…
… und sperrt auch viele weg, die ihm nicht passen, hat Stalin auch schon gemacht…
Sicher kein Vorbild für uns, da haben Sie recht…
… aber vorbeigehen an denen wird man in diesem dritten Jahrtausend auch nicht können…
Ist so, da haben Sie recht: eine Welt, in der wir alle gemeinsam leben – alles hängt mit allem zusammen. Besser, man spricht miteinander, auch mit denen, die nicht dieselben Werte teilen wie wir, mit denen vielleicht am allerersten und am allerhäufigsten…
Ganz meine Meinung. Deswegen sprech’ ich ja auch mit Ihnen – damit wir Freunde bleiben. Immer im Gespräch bleiben, das ist der Königsweg, Frieden zu halten! Das mindert die Aggressionen. Jedenfalls, wenn man sich um ein echtes Gespräch bemüht.
Und ich weiß eh schon immer, was Sie denken. Wenn Sie eine Ente sehen, eine Katze, einen Topf voller Gulasch… und wann Sie gekrault werden wollen, das weiß ich oft schon fünf Minuten vorher… Diese chinesische App brauche ich in meiner Beziehung mit Ihnen nun wirklich nicht. Und was ich am allermeisten bewundere, sind sowieso Ihre Fremdsprachenkenntnisse!
Was meinen Sie denn damit?
Sie wissen doch selbst, wenn unser italienischer Pizzabäcker von nebenan beim Morgenspaziergang das Fenster aufreißt und Ihnen laut „Prosciutto“ zuruft, dann haben Sie den Mund schon geöffnet und nehmen das Ihnen zugeworfene Stück Schinken mit einer solchen Grazie auf, dass man sich wünscht, ähnliche Italienisch-Kenntnisse zu haben wie Sie! Ich muss jedesmal wieder neu im Fremdwortlexikon studieren, bis ich eine italienische Speisekarte verstehe, Sie sind mir da so überlegen…
Naja, wenn’s um „Prosciutto“ geht, brauch’ ich wirklich keinen Übersetzer. Das ist meine Welt. Und sonst gilt: Zwischen uns beiden bleibt alles beim Alten. Wir kommunizieren weiter analog und werden nicht zu digitalen Deppen!Genauso machen wir das, schön, dass wir beide das ganz genau gleich sehen!
Straubinger Tagblatt vom 3.Oktober 2025