In einer umfangreichen Recherche sind Redakteure des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, der am Samstag erschien, den Vorgängen rund um die Razzia, die vor wenigen Wochen im Finanzministerium vorgenommen wurde, nachgegangen. Weshalb wurden wenige Tage vor der Wahl medienwirksam Durchsuchungen vorgenommen, weil es Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Kölner FIU (Financial Intelligence Unit) gibt, die melden soll, wo Bürgerinnen und Bürger im Verdacht stehen, Steuern nicht zu zahlen und so Geld zu waschen? Diese Behörde untersteht dem Finanzministerium, das auf Meldungen aus der FIU angewiesen ist, um handeln zu können. Das Resultat der Recherche hat zwei interessante Seiten.
Die eine: Seitdem der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble die FIU entgegen entschiedener Warnungen von Fachleuten vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert hat, funktioniert diese Behörde nicht. Obwohl sein Nachfolger Olaf Scholz die Mitarbeiterzahl deutlich erhöht hat, funktioniert sie offenkundig noch immer nicht. Das hat aber nicht mit krimineller Energie der Mitarbeiter zu tun, sondern mit Überforderung, Schlamperei oder auch Mangel an Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das alles ist allerdings seit Jahren bekannt. Interessant ist vor allem die andere Seite der Recherche.
Der Staatsanwalt Bernard Südbeck, der die Durchsuchungen medienwirksam veranlasste, ist ein Parteifreund des Spitzenkandidaten der CDU, Armin Laschet. Nicht nur begann er seine Karriere im Ministerium des niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU), sondern er war sogar als Vorsitzender des Stadtverbandes Cloppenburg für die CDU kommunalpolitisch aktiv. Der Richter wiederum, der auf das Gesuch dieses Staatsanwaltes die Razzia im Finanzministerium genehmigte, mit Namen Philip Brauch, war früher als Oberstaatsanwalt dem Kollegen Südbeck unmittelbar unterstellt. Willkommen in der Bananenrepublik Deutschland!
Den Ball, den ihm sein Parteifreund Südbeck scheinbar so wunderbar aufgelegt hat, versuchte Armin Laschet im zweiten Triell im Tor zu versenken, indem er das Handeln eines Staatsanwaltes für sakrosankt erklärte. (Sinngemäß: Wenn ein Staatsanwalt in Deutschland handelt, steht es einem Politiker nicht zu, das zu kommentieren, wie Olaf Scholz das getan hat, als er sagte, die fehlenden Informationen hätte man doch auch erfragen können.) Im Wahlkampfendspurt hat die Union also offenkundig aus den unteren Schubladen des Schreibtisches drei Strategien herausgeholt, mit denen sie das scheinbar verlorene Rennen um die Kanzlerschaft noch drehen will.
Die erste: Mit den Sozialdemokraten wird es einen Systemwechsel geben, der dieses Land wegführt von den Prinzipien der Marktwirtschaft, wie wir sie kennen. Die zweite: Die SPD ist historisch immer auf der falschen Seite der Geschichte gestanden. Das ist zwar offenkundiger Blödsinn, aber im Wahlkampf scheinen solche Sätze irgendwie erlaubt. Und die dritte: Der Kanzlerkandidat der SPD ist eigentlich ein Gangster und nicht ein honoriger hanseatischer Ehrenmann. Lasst uns ihm am Zeug flicken, wo es nur geht! Für eine Partei, die immerhin das C für christlich im Namen trägt, ist das schon ein ungewöhnliches Vorgehen. Ob es am Ende verfängt? Nächsten Sonntag wird man es wissen.
Straubinger Tagblatt vom 20. September 2021